Die Körber-Stiftung zeichnet Dissertationen aus, die wissenschaftliche Exzellenz mit hoher gesellschaftlicher Relevanz verbinden. In diesem Jahr wurde Dr.-Ing. Laura König-Mattern für ihre an der Otto-von-Guericke-Universität und dem Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme abgeschlossene Dissertation mit dem zweiten Platz geehrt. Am Center for the Transformation of Chemistry (CTC) baut sie nun auf ihren Ergebnissen auf, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Chemie zu beschleunigen.

Wir können uns ein Leben ohne Chemikalien nicht vorstellen“, sagt sie, „aber wir müssen dringend neu denken, wie wir sie herstellen – weg von fossilen Rohstoffen und hin zu erneuerbaren Ressourcen.“

KI als Partnervermittlung für die Grüne Chemie

Biomasse ist eine kaum genutzte Schatztruhe für bio-basierte Chemikalien. Holz, Stroh und Mikroalgen enthalten wertvolle Proteine, Fette, Kohlenhydrate oder Pigmente, die als molekulare Bausteine dienen können. Laura König-Mattern erforscht Lösungsmittel – Flüssigkeiten, die Stoffe trennen und herauslösen, ähnlich wie heißes Wasser Aroma und Farbe aus Kaffeepulver extrahiert und die Feststoffe zurücklässt. In mehreren Extraktionsschritten isolieren Chemiker:innen diese Komponenten, um sie anschließend zu neuen Chemikalien und Materialien zu kombinieren.

An potenziellen Lösungsmitteln mangelt es nicht. „Es gibt mehr Kandidaten als Sterne in der Milchstraße“, so König-Mattern. Doch effiziente, ungiftige und nachhaltige Kandidaten zu finden, ist eine enorme Herausforderung. Sie alle im Labor zu testen, würde unglaublich viel Zeit und Energie kosten. Daher formulierte sie die Aufgabe als mathematisches Optimierungsproblem und entwickelte computergestützte Werkzeuge, um Lösungsmittel zu screenen, zu entwerfen und perfekt auf die Prozesse in Bioraffinerien abzustimmen.

Herkömmliches Screening ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die KI geht einen Schritt weiter: Sie entwirft die perfekte Nadel von Grund auf neu“, erklärt König-Mattern. „Einfach gesagt ist das Entwerfen eines Lösungsmittels wie das Gestalten des perfekten Puzzleteils – es muss perfekt zu den gewünschten Molekülen passen und die falschen unberührt lassen.“

Das perfekte Lösungsmittel für Mikroalgen und Holz

Aus einer Datenbank mit über 8.000 potenziellen Kandidaten identifizierte das Screening-Tool das ideale Lösungsmittel für Rückstände von Mikroalgen aus der Lebensmittel- und Pigmentindustrie. Herkömmliche Verfahren gewinnen deren wertvolle Inhaltsstoffe erst nach einer energieintensiven Trocknung. Laura entdeckte, dass eine einfache Mischung aus Wasser und einem milden, umweltfreundlichen Alkohol (2-Butanol) Proteine, Fette, Kohlenhydrate und Pigmente direkt aus der feuchten Biomasse trennen kann – ganz ohne Trocknung. Die computergestützte Vorhersage wurde anschließend im Labor bestätigt.

Doch manchmal finden selbst Algorithmen in bestehenden Datenbanken nicht die perfekte Lösung. Das war bei Holzabfällen der Fall – Sägespäne, Rinde und Stroh, die größte erneuerbare Kohlenstoffquelle der Erde. Um Lignin, einen vielseitigen Baustein für die Chemieproduktion, zu extrahieren, sind bis heute giftige Lösungsmittel nötig.Mithilfe von KI entwarf Laura völlig neue Lösungsmittel, die darauf zugeschnitten sind, die Löslichkeit von Lignin zu maximieren, und simulierte deren Leistung vorab. Im Labortest lösten die neuen Substanzen einen beispiellosen Wert von 60 % des Lignins – ein wichtiger Durchbruch in der nachhaltigen Chemie. Entscheidend ist, dass einige dieser Lösungsmittel sogar in einem Bioraffinerie-Prozess eingesetzt werden konnten, der Holz in seine molekularen Bausteine wie Lignin zerlegt.

Warum das wichtig ist – und die nächsten Schritte am CTC

Anfang 2025 trat Laura König-Mattern ihre Stelle als Gruppenleiterin am Center for the Transformation of Chemistry (CTC) an. Dort arbeitet sie daran, KI-basierte Arbeitsabläufe zu erweitern, um bio-basierte Chemikalien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwerfen. Ihre Forschung hilft, Toxizität, Energieverbrauch und CO₂-Emissionen zu reduzieren, und unterstützt unmittelbar die ambitionierte Mission des CTC: eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen, in der die Biomasseabfälle von heute zu den Chemikalien von morgen werden.

Laura König-Mattern während ihrer Forschungstätigkeit im März 2023 in einem Labor des Max-Planck-Instituts für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg.

Laura König-Mattern 2023

Laura König-Mattern während ihrer Forschungstätigkeit im März 2023 in einem Labor des Max-Planck-Instituts für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg. © Nils Thomas / Max Planck Institute Magdeburg